3. Renaissance und spanische Neuscholastik

Das mittelalterliche Menschenbild wie auch das Verständnis vom Staat wandelte sich, angestoßen sowohl durch die Reformation wie durch die Entdeckung neuer Länder und Kontinente, in der Zeit der Renaissance.Treibende Kraft dieser Weiterentwicklungen waren zwei Strömungen aus Spanien:

Hier ist zunächst der spanische Rechtsgelehrte Didacus Covarruvias y Leyva (1512 – 1577) und die Rechtsschule von Salamanca zu erwähnen, die erstmals die Universalität des Naturrechts postulierte. Für Covarruvias y Leyva war der Mensch ein Lebewesen, das durch seinen Geist alle anderen Lebewesen überragt, und der die Fähigkeit hat, sowohl das beste als auch das schlechteste aller Lebewesen zu sein.

Der zweite Impuls ging von spanischen Dominikanern und Jesuiten aus, die das scholastische Menschenbild des Thomas von Aquin weiterentwickelten, allen voran der Jesuit Francisco Suarez (1548 – 1617), dessen beide Schriften zur politischen Philosophie und Rechtstheorie „Disputationes Metaphydicae“ und „De Pace. De Bello“ bis weit in das 18. Jahrhundert sowohl im katholischen wie im protestantischen Europa rezipiert wurden.

Diese neuscholastischen Theologien veränderten das Verständnis von der Welt grundlegend, bestand doch für sie eine Souveränität des Volkes über dem König. Zwar stammte für diese Theologen der Staat auch weiterhin – wenn auch indirekt – von Gott ab, aber für sie galten die Menschen zusammengenommen mehr als der König allein. Damit lag für sie die Souveränität auch nicht beim König, sondern originär beim ganzen Volk. Diese Souveränität habe das Volk zwar auf den König übertragen, könne sie ihm aber auch wieder entziehen, etwa wenn der König tyrannisch regieren sollte.

Und Suarez ging noch einen Schritt weiter: Für ihn bildeten alle Menschen über alle Staatsgrenzen hinweg ein Menschenreich. Und dieser Gedanke führte Francisco Suarez zur Erkenntnis eines Völkerrechts.

Bartolome de Las Casas

Demgemäß war auch die Kolonialisierung dieser Zeit für ihn und seine Mitdenker nur dann legitim, wenn sie der „Hebung der Humanität“ diente – eine Auffassung, die viele spanische Priester, allen voran den Juristen, Dominikaner und späteren Bischof von Chiapa, Bartolomé de Las Casas (1512 – 1577), in Widerstand zur damals betriebenen Ausbeutung der südamerikanischen Indianer brachte und sie Partei ergreifen ließ für die Rechte der Indios.

Aber auch das Recht hatte für die Neuscholastiker seine Schranke: Sie sahen alle Menschen durch Liebe und Mitleid zu einer unauflöslichen Einheit verbunden. Und demgemäß stand für sie die Pflicht der Liebe und des Mitleids höher als jedes Recht.

Für Las Casas war der Mensch ein Geschöpf, das einer Führung bedarf. Die Führungskraft bedingt eine Macht über andere Menschen. Diese Macht ist für Las Casas allerdings nicht gottgegeben, im Gegenteil: sie leitet sich nur aus der Unterwerfung der anderen Menschen ab.

Ausgangspunkt war auch für Las Casas, dass jeder Mensch ein Abbild Gottes sei. Eine Erkenntnis, die für ihn – wie auch für Suarez – zu einer Universalität des Menschenrechts führte. Und so spricht auch Las Casas als erster von „las reglas de los derechos humanos“,  von den Prinzipien der Rechte der Menschen.

Damit wandelte sich das Weltbild dieser Zeit: im Mittelpunkt stand nicht mehr der Glaube an Gott, sondern der Mensch als solcher. Das Weltbild der Renaissance wurde anthropozentisch und betonte die Vernunft der Menschen.

Auch wenn dies zunächst alles Theorie – und die Staaten dieser Zeit weiter absolutistisch geführt – blieben, der Fokussierung des Blicks auf den Menschen und die Betonung der Vernunft des Menschen in dieser spanischen Neuscholastik legte den Grundstein für die späteren Gedanken der Aufklärung und die von ihr angestoßenen Umwälzungen.